Wie die Rotenberger beinahe einmal ihre Grabkapelle abgerissen hätten
18.11.2024 – „Ein Dorf steht Kopf“: Umjubeltes Konzert des TGV-Chors Rotenberg nach einem Stück von Julia Vetter
28 Fotos vom Jubiläumskonzert des TGV in der Rotenberger Turnhalle am 9.11.2024
„Also, wer im Saal ist für den Abriss der Kapelle und den Bau einer Burg mit jeder Konsequenz für unser Dorf? Der hebe nun die rechte Hand.“ Ein Hauch von Reality-TV verbreitete sich beim Jubiläumskonzert des TGV in der Rotenberger Turnhalle, denn die Geschichte, die die ortsansässige Julia Vetter geschrieben hatte und die von der Schauspielerin Ellen Schubert vorgelesen wurde, war auf einmal höchst real. „Ein Dorf steht Kopf“ hieß das Motto des Abends.
Worum ging es in dem Konzert der etwas anderen Art? Die Schnapsidee des fiktiven Kulturamtsmenschen Schneder brachte das Dorf Rotenberg in Aufruhr: die Grabkapelle sollte abgerissen und an ihrer Stelle die alte württembergische Stammburg wieder aufgebaut werden. Die Folgen: Overtourism, Schnellrestaurants und Parkareale statt ländlich-beschaulicher Idylle.
Am Overtourism leiden die sonntagsausflüglergeplagten Rotenberger schon lange, und so waren sie zahlreich erschienen, um dem Ausgang dieser Geschichte zu lauschen. In der voll besetzten Halle herrschte andachtsvolle Stille, während Ellen Schubert alle in Atem hielt: eine dramatische Lesung hörte man da, vom TGV-Chor „GeMiSchTeR SaTz“ musikalisch flankiert, der die Lieder unterschiedlicher Genres vortrug. Dabei zeigte das Ensemble unter der Chorleiterin Renate Brosch sein ganzes Potenzial, Jazz-Standards wie „It don’t mean a Thing“, „On the Sunny Side oft he Street“ wechselten ab mit den Volksliedern des ehemaligen Männerchores.
Nach Comedian-Harmonist- und Alte-Ritter-Klamauk erklang unvermittelt ein Bachchoral, von einem aus dem Chor formierten Soloquartett vorgetragen (Julia und Matthias Vetter, Karin und Jürgen Bauer). Ein Vokaltrio aus Mendelssohns „Elias“ („Hebe deine Augen auf zu den Bergen“, Julia Vetter, Karin Bauer, Sarah Bauder-Trappmann) überraschte alle nach aggressiven Pop-Nummern wie „Highway to Hell“ – ein höchst ungewöhnliches Aufführungskonzept, das zudem alle Fähigkeiten der Säner und Sängerinnen einband. So zeigte Julia Vetter ihr Können am Akkordeon, Matthias Vetter an der Trompete und Uli Krämer am Saxophon. Die Chorleiterin überzeugte mit einem äußerst engagierten Dirigat und einem sicheren Gespür für die Pointen, da saß jede Pause, jedes „Yeah“ und jedes „Plop“ am exakt richtigen Punkt. Der Chor wuchs über sich hinaus, nicht zuletzt dank des hervorragenden Jazzpianisten Uli Gutscher, der so viel Spaß, Ernsthaftigkeit und Können in die Runde warf, dass man sich der Musizierfreude nicht entziehen konnte.
Ellen Schubert hielt mit volltönender Sprechstimme und hervorragender Erzählkunst alles zusammen: Die Chorvorträge und die witzigen Spielszenen der Theatersenioren, die viel Rotenberger Lokalkolorit auf die Bühne brachten. Beifallsstürme im Publikum!
Wie die Geschichte ausging? Dass sich die Rotenberger nach großen Zerwürfnissen und einer gemeinsamen konzertierten Aktion – bei der die Kinder die entscheidenden Rolle spielten – wieder vertrugen, ist selbstverständlich. Und die Grabkapelle steht immer noch. (ann)
28 Fotos vom Jubiläumskonzert des TGV in der Rotenberger Turnhalle am 9.11.2024