Nachtschicht-Gottesdienst – Suche nach erfolgreichen Weg aus der Klimakrise

Suche nach erfolgreichen Weg aus der Klimakrise
Nachtschicht-Gottesdienst auf dem Kleinen Schlossplatz mit Aktivistinnen der Letzten Generation und Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl

Die Mehrheit der Deutschen befürwortet eine konsequentere Klimapolitik, lehnt jedoch die Protestformen der AktivistInnen der Letzten Generation ab. Nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in den Kirchengemeinden werden der Klimawandel und der Weg, diesen zu bekämpfen, kontrovers diskutiert. Pfarrer Ralf Vogel und sein Obertürkheimer Team machten dies am Freitagabend im Nachtschicht-Gottesdienst – auf dem Kleinen Schlossplatz in Stuttgart mit den Aktivistinnen Andrea Rückert und Afra Porsche sowie Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl. Kilian und Martin Mohns umrahmten den Abend musikalisch.

Verheerende Waldbrände in Kanada, sintflutartige Überschwemmungen in Italien und Kroatien, langanhaltende Dürre- und Hungerperioden in Afrika – eindrücklich führten die jungen Mitglieder des Nachtschichtteams die Folgen des Klimawandels vor Augen und zitierten die Erwartungen von SchülerInnen aus München. „Ich habe noch mein ganzes Leben vor mir. Ich habe Pläne, Hoffnungen und Wünsche. Langsam aber sicher zerfallen alle diese Dinge zu Staub“, sagt eine  15-Jährige. „Mein Leben wird anders verlaufen als das meiner Großeltern. Schon jetzt hat die Klimakrise meinem Leben die Leichtigkeit genommen. Ich habe Angst und Schuldgefühle auch gegenüber den Menschen im globalen Süden. Dabei sind dies nur die Vorboten dessen, was uns erwartet“, drückten Schulkameraden ihre Sehnsucht nach unbeschwerter Zukunft aus. Die Menschheit habe es noch in der Hand, das Allerschlimmste abzuwenden, aber das Zeitfenster schließe sich rapide, warnen Wissenschaftler. Es gelte, rasch Wege zu finden.

Doch welche? Die Münchner Schulpfarrerin Andrea Rückert engagiert sich für eine Partnerschule in Tansania. Sie will als Mitglied der Letzten Generation „den warnenden Wissenschaftlern ein Gehör schenken und erreichen, dass Menschenrechte nicht mit Füßen getreten werden.“ Dafür nehme sie in Kauf, dass sie in der Nacht vor Aktionen schlecht schlafe und es keinen Spaß mache, den Hass mancher Mitmenschen zu erleben. Auch Afra Porsche nimmt die Kritik an Straßenblockaden ernst. „Wir verstehen die Aktionen als zivilen Ungehorsam. Wir kommen mit Menschen ins Gespräch und zwingen Politiker zu handeln. Gandhi und Martin Luther King haben gezeigt, dass ziviler Ungehorsam der effektivste Weg ist, auf Missstände und Ungerechtigkeit aufmerksam zu machen.“

Andrea Rückert, Pfarrer Ralf Vogel, Afra Porsche sowie Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl – Foto: Mathias Kuhn

Die Aufmerksamkeit auf den Klimawandel zu lenken, sei wichtig, betonte Landesbischof Gohl. Aber er befürchte, dass man mehr über die Sinnhaftigkeit der Aktionen diskutiere und das Handeln vergessen werde. Er sehe es als eine theologische Aufgabe, mit den begrenzten Ressourcen sorgsam umzugehen. „Unsere Brüder dürfen uns nicht egal sein.“ Er appellierte, nicht die Hände in den Schoß zu legen und nicht den Mut zu verlieren. „Bei all unseren Aktivitäten sind wir nicht allein, sondern können mit der Hilfe Gottes rechnen.“ Die Kirche könne als Mittlerin auftreten. „Es ist hilfreich miteinander zu reden, zuzuhören.“ Er  sei zwar von manchen Protestformen nicht überzeugt, aber die Letzte Generation als Klimaterroristen zu titulieren, verschiebe Kategorien. „Terroristen töten Menschen. Die Klimaaktivisten treten für das Wohl unserer und der künftiger Generationen ein.“  Text und Fotos: Mathias Kuhn